Donnerstag, 22. März 2012

Hypersexualität und ständige Partnerwechsel bei Jugendlichen

Da ich Anfang dieses Jahres zu diesem Thema von einem Kommunikationspsychologiestudenten interviewt wurde und mir seine Ausarbeitung vorliegt, habe ich mich entschlossen selbst eine kleine Ausarbeitung zu verfassen.

Die Meinung vieler, wohl größtenteils durch die Medien bedingt, denken das die Jugendlichen von Heute bereits alle mit "spätestens" 13 oder 14 Jahren ihr erstes mal hatten, auf Promiskuität (= sexueller Kontakt mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern oder mit parallel mehreren Partnern) stehen und keine moralischen Werte mehr besitzen. Das ist jedoch eine völlige Übertreibung. Natürlich gibt es solche Fälle aber sie betreffen nicht die Mehrheit und Allgemeinheit. Eine Studie die ca. im Jahre 2000 aufgestellt wurde hat ergeben das die Mehrheit der Jugendlichen erst "nach" dem 16. Lebensjahr ihren ersten Geschlechtsverkehr hatten. Mein subjektives Empfinden sagt mir aber das es erst nach 2000 mit der Hypersexualität der Jugendlichen richtig losging und sie jetzt (also 2012) nach neuen Studien solangsam wieder abklingt. Aufjedenfall möchte ich betonen das auch Jugendliche moralische Werte besitzen. Sie beschäftigen sich intensiv mit ihrer Zukunft und vertreten sowohl traditionelle als auch moderne Werte. Auch das die meisten Jugendlichen der Promiskuität verfallen sind streite ich ab. Jugendliche haben eine enge emotionale Bindung an ihren Partner und auch die Treue ist für die Mehrheit immernoch sehr wichtig. Auch wenn Jugendliche ehern kurz andauernde Beziehungen führen haben sie nur selten mehr als einen Partner gleichzeitig, jedoch kommt es häufig zu mehreren aufeinanderfolgenden Beziehungen (dieses Phänomen bezeichnet Steinberg als "serielle Monogamie"). Aber das ist in diesem Alter völlig Normal:


Ausschnitt aus Jürg Willi - Die Zweierbeziehung:

Nach Erikson geht es dem Jugendlichen in einer vieljährigen Phase des Probierens darum, sich die persönlichen sexuellen Fähigkeiten für ein enges und stabiles Zusammenleben zu erwerben. In dieser Phase werden die Partner häufig gewechselt. Der Partner wird oft noch wenig als Person mit eigener, autonomer Aktivität wahrgenommen und wenig um seiner selbst willen geliebt. Man will sich selbst und eventuell andern beweisen, dass man in der Lage ist, einen Partner zu erobern, durch dessen Qualitäten das eigene Selbstwertgefühl gehoben wird. Der Partner dient einem, besonders wenn er durch irgendwelche Attribute attraktiv ist, als Präsentier- und Schmuckstück. Man erwirbt sich durch ihn Bewunderung und Prestige. Die Partnerbeziehungen von Jugendlichen sind noch stark narzisstisch, inkonstant, schwärmerisch und selbstbezogen, was in dieser Phase der Identitätssuche natürlich ist. Im Probieren findet der Jugendliche seine eigenen Beziehungsmöglichkeiten und erfährt deren Grenzen. Er erwirbt ein Gefühl eigenen Wertes und lernt an den Reaktionen des Partners, sich in seinen Qualitäten richtig einzustufen. Allmählich verlieren diese Eroberungen das Spielerische. Die Entwicklung fordert dem jungen Menschen Entscheidungen ab, die mit wachsender Beschleunigung zu immer endgültigeren Selbstdefinitionen, zu irreversiblen Rollen werden und so zu Festlegungen für das Leben führen. Der junge Erwachsene gewinnt das sichere Gefühl innerer und sozialer Kontinuität, der Eigenart, wie er sich selbst wahrnimmt und wie er von der Gemeinschaft gesehen wird. Für die Identitätsbildung des jungen Menschen ist es nach Erikson wesentlich, dass er sich beantwortet fühlt, dass ihm die Gemeinschaft Funktion und Stand zuerkennt als einer Person, deren allmähliches Wachsen Sinn hat. Dem Adoleszenten wird es ein zunehmendes Bedürfnis, sich bis in die intimsten Seiten seiner Persönlichkeit von einem Partner beantwortet, erkannt und in seiner Identität bestätigt zu fühlen und gleichzeitig einen Partner in dessen Identität zu erfahren und zu bestätigen.


Mögliche Einflussfaktoren

Medien:
Überall um uns herum sind Medien die sich intensiv mit Sex beschäftigen (z.b. Fernsehen, Internet, Magazine).
Vor allem das Internet bietet großes Potenzial, das Jugendliche und bereits Kinder mit Sex konfrontiert werden. Nur mal bei Google das richtige Wort eingeben und auf einem Blick erscheinen hunderte von Pornoseiten, dann nur noch ein Klick und eine große Auswahl von Soft bist Hardcore über Sadomaso etc. steht zur Verfügung. Gerade hier besteht die Gefahr, dass die Jugendlichen ein völlig falsches Bild von Sex entwickeln und es zu einem Verlust von Empathie und zu Enthemmungen kommen kann.

Gruppendruck:
Hin und wieder kommt es vor, das Jugendliche untereinander über ihre sexuellen Erlebnisse reden und sich austauschen. Hierbei kommt es oft zu Übertreibungen und sogar Schwindeleien. Diese Übertreibungen und Schwindeleien der einen setzt die meisten oft unter Druck auch endlich sexuell Aktiv zu werden oder kann im schlimmsten Fall zu Depression und Ausgrenzung in der Gruppe führen.

Bildung:
Nach den Untersuchungen von Schmidt ist das Bildungsniveau ein wichtiger Einflussfaktor. Laut seinen Untersuchungen machen Haupt- und Realschüler ihre ersten sexuellen Erfahrungen früher als Gymnasiasten.

Familiäre Faktoren:
Nach Jessor & Jessor werden Jugendliche aus einkommensstarken Familien später sexuell aktiv als diejenigen aus einkommensschwachen Familien. Außerdem ist die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung sowie die angemessene Begleitung der Jugendlichen durch die Eltern ein weiterer Faktor in der Hinsicht früherer oder späterer sexueller Verhalten und Erfahrungen.

Individuelle Einschätzung:
Nach Rosenthal & Smith schwankt der Zeitpunkt, der als angemessen für erste sexuelle Aktivitäten gilt, sehr individuell. Er hängt mit vergleichbaren Einschätzungen für Autonomie und Alkoholkonsum zusammen. Diese 3 Bereiche werden von Jugendlichen als Ausdrucksform des Erwachsenenseins gesehen, weswegen sich einige frühzeitig ein hohes Maß an Selbständigkeit wünschen oder eben z.B. bereits in jungen Jahren Alkohol trinken möchten.


Exkurs: Risikofaktoren nach Small und Luster

Small und Luster untersuchten 2168 Schüler. Diese befragten sie über ihre sexuellen Erfahrungen sowie über die folgenden Risikofaktoren für frühen Geschlechtsverkehr:


Alkoholkonsum: 
Alkoholkonsum begünstig aufgrund seiner enthemmenden Wirkung frühe sexuelle Erfahrungen.


Erfahrungen von sexuellem Missbrauch:
Jugendliche mit Missbrauchserfahrung werden früher sexuell aktiv.


Sorgen bezüglich Berufschancen
(z.B. "Ich mache mir Sorgen darüber, einen guten Job zu finden, wenn ich mit der Schule fertig bin.")


Selbstwert
(z.B. "Ich kann auf mich stolz sein.")


Elterliche Aufsicht
(z.B. "Meine Eltern wissen, wo ich nach der Schule bin.")


Wertvorstellungen der Eltern
(z.B. "Meine Eltern sind dagegen, dass man in meinem Alter schon Sex hat.)


Unterstützung durch die Eltern
(z.B. "Meine Mutter ist für mich da, wenn ich sie brauche.")


Bildung der Eltern:
Eltern mit einem hohen Bildungsniveau unterstützen ihre Kinder stärker, kontrollieren weniger und haben eine negative Einstellung gegenüber frühem Sexualverhalten. Daher sollte ein hohes Bildungsniveau der Eltern die sexuelle Aktivität der Jugendlichen hinauszögern.


Konformität mit Gleichaltrigen:
(z.B. "Ich tue häufig Dinge, nur um bei meinen Freunden besser anzukommen.") Jugendliche mit höherem Bedürfnis nach Konformität sind leichter zu beeinflussen und eifern ihren bereits sexuell erfahrenen Freunden nach. Mädchen mit einem hohen Bedürfnis nach Konformität können gegenüber dem Drängen eines älteren Jungen schlechter nein sagen.


Fester Freund, feste Freundin


Einstellung gegenüber der Schule
(z.B. "Ich geh gern zur Schule.")

Schulnoten:
Gute Erfahrungen in der Schule und eine positive Einstellung gegenüber der Schule begünstigen einen späten Beginn sexueller Aktivität.

Beaufsichtigung durch die Nachbarschaft
(z.B. "Die Erwachsenen in unserem Quartier behalten im Auge, was wir Teenager tun.")


Zum Abschluss möchte ich noch die letzten Worte aufführen aus der Ausarbeitung des Kommunikationspsychologiestudenten:

Unterm Strich muss man sagen, dass nicht die ganze Jugend vollkommen durch Pornografie verdorben ist. Ein Großteil der Jugendlichen hat ein normales sexuelles Partnerverhalten, dass vor allem von Kommunikation geprägt ist, in dem man sich gegenseitig mitteilt, was gewollt und was nicht gewollt ist. Jedoch sollten Eltern darauf achtet, auf welchen Seiten das Kind im Internet unterwegs ist. Und auch so sollte frei darüber gesprochen werden, wie sich die interpersonale Sexualität von der filmischen Darstellung in Pornos unterscheidet. Dabei sollten ganz besonders Schulen einen Beitrag zur Aufklärung leisten. Und zwar nicht nur, wie es häufig der Fall ist, Informationen über Verhütungsmittel und Geschlechtskrankheiten liefern, sondern auch die gerechte Verhaltensweise untereinander, die Intervention gegen Gewaltübergriffe im sexuellen Bereich voranzutreiben. Zu guter letzt, da auch Medien wie das Fernsehen mit den größten Einfluss haben, sollten sie die Verantwortung wahrnehmen und die Reife beweisen, nicht die Eltern als Argument vorzuschicken, sondern selbst uhrzeitgerechtes Fernsehen auszustrahlen. Das heißt, dass am Vormittag keine Talkrunden mit Sexgeschichten und auch keine Dailiy-soaps mit leicht bekleideten Mädchen laufen sollten. Nur so ist es möglich der Hypersexualisierung und einer drohenden sexuellen Verwahrlosung entgegenzuwirken.


Anmerkung: Falls ich vergessen haben sollte ein Fremdwort zu erklären oder jemanden etwas nicht ganz schlüssig ist (z.B. Die Risikofaktoren) der kann sich gerne per Kommentar melden und ich kläre dann die letzten Verständnisprobleme.


Quellen:
- Alexander Grob und Uta Jaschinski (2003): Erwachsen werden - Entwicklungspsychologie des Jugendalters. 1. Auflage. Verlagsort: Weinheim; Basel; Berlin. Beltz Verlag. Seite 83-85; 115
- Jürg Willi (2010): Die Zweierbeziehung - Spannungsursachen, Störungsmuster, Klärungsprozesse, Lösungsmodelle. 20. Auflage. Verlagsort: Reinbek bei Hamburg. Rowohlt Taschenbuch Verlag. Seite 32-33
- Interview: Interviewer J.P., Interviewter Tony P. (also Ich : D)
- Ausarbeitung des Kommunikationpsychologiestudenten J.P.
- Meine kognitiven Überlegungen und Gedanken

1 Kommentare:

Matthias hat gesagt…

Da hast du dir ja wirklich viel Mühe gemacht um dieses Thema aufzuarbeiten. Respekt!

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