Montag, 2. April 2012

Versteckter Pessimismus

Ich denke Pessimismus muss ich jetzt nicht extra definieren oder?
Versteckter bzw. heimlicher Pessimismus ist grob gesagt ein Pessimismus bei Personen der nicht oder nicht sofort erkennbar ist.

Davon gibt es unterschiedliche Formen. Ich will mich heute nur mit einer Form beschäftigen die heutzutage, vor allem bei Jugendlichen und auch jungen Erwachsenen, verhäuft vorkommt.

Es gibt gewisse Personen die meinen "Wieso an die Zukunft denken? Ich lebe im Hier und Jetzt!" Nicht alle die so denken sind jetzt pessimistisch, aber es ist ein typisches Symptom für die folgende Form des Pessimismus. Diese Menschen ergeben sich ausschließlich "dem Augenblick" und erklären, nur im Hier und Jetzt finde das Leben statt, "wer weiß denn, was Morgen komme?" In Wahrheit wollen sie aber an das Morgen und Übermorgen nur deshalb nicht denken, weil sie es so sehr fürchten. Denn eine Ausbreitung von Ermattung und Abstumpfung in den meisten Völkern ist eine schwer zu leugnende Tatsache.

"In großen Scharen sehe ich die Menschen oberflächlicher und phantasieärmer werden"
(Zitat: Horst Eberhard Richter; Freud)

Wenn man in diese Richtung weiterdenkt, würde es zu einer allgemeinen psychischen Verarmung kommen, auf eine Entinnerlichung, schließlich auf ein Erstarren in geistiger und sozialer Kälte. Aber ist es nicht schon fast verständlich wenn die Jüngeren nicht mehr an Morgen denken wollen?
- Arbeitslosigkeit ist immernoch hoch (und ist höher als der deutsche Staat vertuscht)
- die Umweltzerstörung ist nicht mehr zu stoppen
- mangelhafte Vorbilder usw.
 -> Die Zukunftsperspektiven werden nicht gerade rosig gemacht. Darüber sprechen wollen aber die wenigsten, sie unterdrücken die pessimistische Vision, um nicht einer lähmenden Resignation zu verfallen.
Dieses Verschweigen funktioniert schon fast wie ein Tabu. Wer es bricht, bedroht die gemeinsame Verdrängung und zieht den Zorn auf sich.

Es gehört sich also, sich möglichst unbeschwert und munter zu geben, um wechselseitig die Verdrängung zu schützen. Wie wir alle sehen können, artet diese Munterkeit hin und wieder richtig aus und wird zu vielfach überschlagende Amüsierlust. Es müssen immer neue Spiele, neue Späße, neue Nervenkitzel erfunden werden. Die Verdrängung der Zukunftsangst funktioniert also nur durch eine hektische Ablenkung auf Zerstreuungen und Vergnügungen, deren Herstellung inzwischen eine ausgedehnte Industrie besorgt. Das beste Beispiel sind Jugendliche die bei jeder Möglichkeit auf Partys gehen Alkohol und Drogen nehmen, ungehemmten Sex haben, Ruhestörung verursachen und im schlimmsten Fall Vandalismus ausüben.

Einwurf: Ließe sich diese Amüsierlust nicht auch als Ausdruck von echter Lebensfreude deuten?

Wenn man genau hinschaut, spürt man in der Hektik dieses Amüsierbetriebs den Ablenkungszwang:

Alles darin ist übersteigert und gewaltsam, die Formel des bekannten Schriftstellers Neil Postman, "Wir amüsieren uns zu Tode" passt genau. Der Spaß wird zur gesundheitsbedrohenden Tortur, wenn Massen von Jugendlichen bei ihren Technopartys ihrem Organismus mit Aufputschmitteln eine Dauerekstase abfordern.
„Jetzt weiß ich, wofür ich gelebt habe!“ sagte kürzlich eine Jugendliche nach einer der Marathon-Technoparaden. Bis zum nächsten arrangierten punktuellen Glücksmoment reicht die Lebenshoffnung. Wer den verpaßt, den bestraft die perspektivlose Zukunft. Sich aktiv austoben oder sich über Dutzende von TV-Kanälen von allen erdenklichen Reizungen der Emotions- und Triebskala überfluten lassen, das sind weitere typische Symptome dieser Form des Pessimismus.

„Denn mit der Erwartung einer schlechten Zukunft steigt die Furcht vieler Menschen, sich diese Aussicht einzugestehen, weil sie das innere Gleichgewicht zu verlieren drohen. Also verleugnen sie, was sie nichtsdestoweniger ahnen. Wer liebt schon Aufklärer, gegen die man die Verleugnung der eigenen bedrückenden Vorahnungen verteidigen muss?“
(Zitat: Horst Eberhard Richter; Freud)

Trotzdem, klärt weiterhin auf auch wenn es schwer ist. Einsicht ist wichtig.

Manchmal kommt es mir auch so vor, wie eine Suche nach Glück. Auch wenn durch Partys etc. sogenannte Glücksgefühle entstehen können, hat das mit dem Glück an sich nicht viel zu tun. Sondern ehern mit dem Vergnügen und Vergnügen kann früher oder später zu Leid und offenen Pessimismus führen.

Wer "Glücklich" sein will, der muss auch "Vernünftig" sein. 
(Zitat: Seneca)

Exkurs: Glück oder Vergnügen?

"Was ist der Unterschied zwischen Glück und Vergnügen? Vergnügen braucht immer etwas. Ein Objekt, an dem oder mit dem man sich vergnügen kann. Glück braucht nichts! Glücklich sein ist ein Zustand, der sich selbst genügt. Sonst sind wir abhängig. Vergnügen ist immer abhängig von einem Objekt der Begierde. Und das führt früher oder später immer in das Leiden. Denn das Objekt verspricht immer nur, was es nie hält. Sei es nun die Disco, das Mega-Event, der geile Film oder die Wahsinnsfrau. Wir können uns toll damit vergnügen, aber danach hat alles immer einen schalen Beigeschmack. Wir strengen uns an, machen und tun. Nur alles tun, um des Vergnügens willen, ausschließlich dazu da, die Befriedung einer Begierde oder eines Verlangens zu erreichen, führt zuletzt immer in den Zustand von Frustration und Traurigkeit."


Quellen:
- Horst-Eberhard Richter (1998): Als Einstein nicht mehr weiterwußte - Ein himmlischer Krisengipfel. 4. Auflage. Verlagsort: Düsseldorf und München. ECON Verlag. Seite: 189-191
- eigene Aufzeichnungen von einer Vorlesung über Seneca in der Universität Basel
- http://www.rolfstangenberg.de/artikel/gluecklichsein.htm
- Meine kognitiven Überlegungen und Gedanken

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